DNN, Mittwoch, 11. März 2020 Kultur
Verweilen in flüchtigen Momenten
Das Prager Helix Trio spielte im „Keller“ des Kulturpalastes Von Wolfram Quellmalz
Der Raum der Herkuleskeule ist zwar kein perfekter Kammersaal, doch seine Studioatmosphäre kann gerade experimentelle Formate unterstützen, wie am Montagabend den Deutsch‐Tschechischen Dialog. Musikalisch wurde er vom Prager Helix Trio gestaltet, das sich in seiner Besetzung mit einer Viola (Ondrej Štochl) statt eines Cellos vom herkömmlichen Klaviertrio unterscheidet. Štochl ist außerdem Komponist und wechselt zuweilen ans Klavier. Mit seinen Partnern Tereza Horáková (Violine) und Egli Prifti (Klavier) spielte er Stücke tschechischer Komponisten sowie von Albert Breier. Breier, dem das Tschechische sehr am Herzen liegt, nahm neben Peter Graham (Brünn, eigentlich Jaroslav Štastný‐Pokorný) als Gesprächspartner und Rezitator teil.
Gedichte und Musik in sinniger Übereinstimmung
Gedichte zu lesen ist eine Herausforderung. Vielleicht mehr noch als beim Lied, das für den Vortrag gedacht ist, stellt sich nämlich die Frage, wie „veräußerlicht“ es dargestellt werden darf. Natürlich kann mancher Schauspieler vielleicht mehr gestalten, als es die beiden Komponisten vermochten. Gerade die am Beginn vorgetragenen Verse Oskar Loerkes wirkten doch sehr schlicht im Ausdruck. Nach und nach ergab sich allerdings eine sinnige Übereinstimmung mit dem oft rätselhaften Charakter der Musikstücke. Am tiefsten, wie eine Schwebung, gelang dies mit den zauberischen Versen Jaroslava Kutheilovás (ihre Texte wurden, wie jene Jan Skácels, erst tschechisch, dann deutsch vorgetragen), einer bei uns kaum bekannten Dichterin, und den geheimnisvollen „Mikroludia für Viola und Klavier“ (Ondrej Štochl), hier in einer „musikalisch verrückten“ Fassung mit Violine und Klavier.
Alle Trios und Duos waren in den letzten vier Jahren entstanden. Oftmals glichen sie einem Suchen in Akkorden, bezogen sich Reflexe aufeinander. Pavel Zemek‐Novák lässt in seinem „Doteky milosrdenství“ (Berührungen der Barmherzigkeit) für Violine, Viola und Klavier die drei Spieler zunächst nacheinander auftreten, bevor sie zu einem Trio verschmelzen, Peter Graham entwickelte im ersten Satz seines Trios ein Katz‐ und Mausspiel, wobei er Violine und Viola teilweise symbiotisch auffasste.
Elegie von Albert Breier als Uraufführung
Vier der fünf jungen Stücke wurden wiederaufgeführt, Albert Breiers „Zweite Elegie für Viola und Klavier“ von 2018 war eine Uraufführung. Sie begann mit Floskeln des Klaviers, einer Spieluhr ähnlich, auf welche die Viola zu antworten schien. Nach und nach entwickelten sich melodische Bezüge und Ruhemomente, die immer größere Verdichtung beider Stimmen endete in einer Entfernung: Während sich die Viola in einer aufsteigenden Sequenz erhob, stellte ihr das Klavier einen Bassgrund entgegen.
Mit der Vermutung, dass eine tschechische Eigenart vielleicht darin bestehe, Eigenarten zu haben, hatte Albert Breier den Abend begonnen. Im Gespräch mit Peter Graham stellte sich heraus, dass es so einfach dann doch nicht ist. Auch gebe es Gemeinsames wie Unterschiedliches im Deutschen und Tschechischen, schon deshalb, weil beide Länder sich lange kennen und aufeinander beziehen, gegenseitige Einflüsse bestehen. Mitunter ist es gerade die gemeinsame Grundlage, die eine nationale oder individuelle Ausprägung ermöglicht. Merke: Resultate, Stücke bedürfen des Dialogs und der Suche.